TOLKEMIT (6)
Die alte angesehene Mälzenbräuerzunft erlebte während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen starken Niedergang. 1852 wurde das Brauen eingestellt und das Brauhaus auf dem Markt an die Stadt auf Abbruch verkauft. Ebenso wurde das in der Nähe des Haffs gelegene Malzhaus veräußert.
Neben der Fischerei blühten besonders drei Erwerbszweige in Tolkemit: die Störkocherei, die Kaviarbereitung und Die Fischräucherei. Der Tolkemiter Kaviar hatte einstmals sogar einen bedeutenden Ruf. Im Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Tolkemit vier Stör- und Räucherbuden. Die in Cadinen seit 1740 bestehende Störbude wurde von Tolkemit aus bewirtschaftet. Das Rohmaterial wurde von der Weichsel und der Danziger Nehrung bezogen. Auch Netzhandel wurde in Tolkemit betrieben. Früher war auch der Drosselfang sehr üblich. Er verlor durch die Entwaldung der näheren Umgebung Tolkemits mehr und mehr an Umfang. Von Handwerken wurden besonders Töpferei und Böttcherei betrieben. Ihre Erzeugnisse genossen eines Besonders guten Rufes in Altpreußen. Jedes der beiden Gewerke hatte 30 bis 40 Meister. Der Eulenkrug bei Cadinen ging im Anfange des 19. Jahrhunderts ein. Der Tolkemiter Haffkrug zog nun die ganze Haffkundschaft an sich.
Von 1851 bis 1864 wirkte als Stadtrat in Tolkemit Peter Dentler aus Danzig, der für das gesellige und geistige Leben der Stadt große Bedeutung gewann. Er wandelte die „alte Burg“ zur Vergnügungsstätte um. Die Anlagen gingen anfangs der 1870er Jahre zugrunde.
Im März 1855 suchte eine Überschwemmung vom Haff her die Hafenvorstädte heim. Auch die Stadt selbst blieb nicht ganz verschont. Gleichzeitig wurde die Niederung durch eine große Überschwemmung heimgesucht. Totes Vieh, Hausgeräte und Häusertrümmer wurden ins Haff getrieben. Einige Tolkemiter fischten davon noch manches heraus.
Im Gefolge der Überschwemmung traten Seuchen auf: Wechselfieber, Typhus und Cholera. Die Cholera dauerte bis 15. Dezember 1855 und forderte bei 79 Erkrankungen 38 Opfer. Vom 25. Oktober 1857 bis 28. Februar 1858 wütete sie wieder in Tolkemit; es erkrankten 33 Menschen, von denen 17 starben.
In dieser Zeit erhielt Tolkemit auch einen Hafen. Schon im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geplant, wurde der Gedanke 1823 durch Landrat Abramowski wieder aufgenommen. Nach Wiederaufnahme des Planes im Anfang der 50er Jahre kam der Hafenbau endlich von 1862 bis 1864 zustande. Ein Vollendungsbau wurde 1883 ausgeführt.
1866 forderte die Cholera in Tolkemit 81 Opfer; 1873 trat sie besonders heftig auf, es erlagen ihr 350 Menschen, der neunte Teil der damaligen Stadtbevölkerung. Die Tolkemit unmittelbar benachbarte Höhe blieb immer von der furchtbaren Krankheit verschont.
1873 wurde die Chaussee Elbing - Tolkemit erbaut, 1882 bis 1884 die Strecke Tolkemit - Neukirch-Höhe.
1883 erfuhr Tolkemit wieder eine Überschwemmung durch den Mühlbach, verursacht durch den Ausbruch des etwa 20 Morgen umfassenden Knaggenteiches bei Dünhöfen. Ein großer Teil der Stadt wurde unter Wasser gesetzt. 1886 erfolgte eine neue Überflutung der Stadt aus derselben Ursache. Recht erheblich war auch die Überschwemmung im Frühjahr 1888. Manche Wohnungen mußten aufgegeben werden. Ihre Bewohner flüchteten nach höher gelegenen Stadtteilen. Immer führte der Mühlbach die Wassermassen heran, die durch die Herrenstraße auf den Markt fluteten. Wahrscheinlich ist die heutige Herrenstraße das ursprüngliche Bett des Baches. In der Ordenszeit ist dann wohl der Bach zu Verteidigungszwecken herumgeleitet worden. Führt er zu gewaltige Wassermassen, so sucht er sich den alten geraden Weg durch die Herrenstraße.
Vom 3. September bis 25. November 1894 wütete in Tolkemit wieder die asiatische Cholera. Da gleichzeitig Kaisermanöver in unserer Gegend stattfand, wurde Tolkemit für die Truppen gesperrt. Bei 87 Krankheitsfällen forderte die Seuche 42 Opfer.
1900/01 erhielt die Tolkemiter Kirche einen Anbau, so daß sie jetzt Kreuzform hat. Die Baukosten betrugen 100.000 Mark
Im Anfang dieses Jahrhunderts bekam Tolkemit auch ein Krankenhaus.
Eine bedeutende Rolle spielte seit den ältesten Zeiten in Tolkemit die Schiffahrt. Die Tolkemit sind seit alters als kühne Seefahrer bekannt, die mit ihren kleinen Fahrzeugen, Schooner (2 Masten) und Lommen (mit einem Mast) benannt, weite Fahrten unternehmen. Am 18. und 19. April 1903 wurden mehrere Tolkemiter Schiffe, die nach Rügen fuhren, Opfer des Sturmes. Vor dem Kriege baute Tolkemit über 120 Schiffe, jetzt sind beinahe 2/3 davon verkauft und verfallen. Tolkemit hat heute nur noch 25 Schooner, 15 Lommen und 3 Kurkähne, welch letztere ihren Namen davon haben, daß sie vornehmlich auf dem Kurischen Haff in Gebrauch sind; sie haben eine besondere Form, die sie weithin leicht erkennbar macht. Viel Beschäftigung finden die Tolkemiter Schiffer durch das Herausholen gewaltiger Steine vom Meeresgrund mit großen, dazu besonders eingerichteten Zangen. Diese Tätigkeit wird daher auch „Steinzangen“ genannt. Sie findet jetzt besonders bei Brüsterort an der Samlandküste statt.
Tolkemit hat heute (Bemerkung: Das war etwa im Jahre 1925) 1443 ha und 3161 Einwohner.
Hatte Tolkemit in der polnischen Zeit und auch noch in der ersten preußischen Zeit nur eine Schule mit einem Lehrer gehabt, so hat es heute drei öffentliche Schulen, und zwar eine katholische Knabenschule mit einem Rektor und 6 Klassen, eine katholische Mädchenschule ebenfalls mit einem Rektor und 5 Klassen und eine evangelische Schule mit einem Lehrer.
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