STADT ELBING/WESTPREUSSEN  
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Die fünfte Reise der Heimatkreise Elbing-Stadt und Elbing-Land
nach Königsberg und Elbing (August 2013)


Die fünfte Reise der beiden Heimatkreise in jährlicher Folge war zugleich die zweite Reise im Jahre 2013. Mit wiederum 45 Teilnehmern führte sie uns vom 16. bis zum 25. August 2013 in das nördliche Ostpreußen und anschließend in den Raum Elbing.


Auch diese zweite Reise in diesem Jahr stieß bereits in der Vorbereitung auf große Resonanz. Wir hatten bei der Planung der Fahrt die Schwerpunkte „Nördliches Ostpreußen“ und „Elbinger Umland“ gewählt. Viele unserer Reiseteilnehmer hatten in ihrer Familie Wurzeln bzw. Bezugspunkte zu diesen Landschaften. Etliche der Mitreisenden waren Königsberger, die ihre ganz familiären Spuren zum Anlass für diese Fahrt nahmen.


Die Reise begann mit dem Großteil der Gruppe am Morgen des 16. Augusts bei dem Sitz des Reiseunternehmens Busche in Rodewald, und ab Königs Wusterhausen waren wir komplett. Alle 45 Teilnehmer – viele kannten sich schon durch zurückliegende Fahrten – waren erwartungsvoll. Die Freude auf das vor uns Liegende griff auf alle über, so dass sich schnell eine Gemeinschaft bildete. Unser Motto „Wir zeigen uns unsere Heimat“ wurde nach und nach von allen aufgegriffen: Beiträge zur Geschichte und Entwicklung des Ordensstaates und Preußens wurden mit Anekdoten zum Menschenschlag und Traditionen der Preußen belebt. Auch das Singen der schönen alten Volksweisen sowie das Mitteilen von ganz persönlichen Erinnerungen gehörte wie immer dazu.


Die erste Übernachtung erfolgte wieder in Gnesen, der ersten polnischen Hauptstadt, die in der gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichte u.a. durch die Freundschaft Kaiser Otto III. mit dem polnischen Herzog Boleslaw Chrobry (dem späteren ersten polnischen König ab 1025) ein wichtiger Eckpfeiler war. Beeindruckend ist immer erneut der Dom dieser Stadt, in welchem die Gebeine des Adalbert von Prag, des Nationalheiligen Polens, ruhen. Er spielt in dem geistlichen und kulturellen Leben des Landes, auch der jungen Polen, eine große Rolle. An diesem Abend fand dort ein Konzert junger Musiker statt, das wir leider nur in Teilen durch die geöffneten Domtüren verfolgen konnten. Beim abendlichen Rundgang durch die Stadt erlebten wir eine fröhliche Geselligkeit.


Am anderen Morgen ging dann die Weiterfahrt auf der neuen Autobahn, vorbei an landwirtschaftlich intakten Feldern, durch weite Waldregionen zur polnisch-russischen Grenze mit dem Ziel Königsberg. Grenzen, die den Reisenden kontrollieren, haben stets etwas Bedrückendes. Die Rituale, die hier noch sehr an sozialistische Zeiten erinnern, haben für unsere Generation unangenehme Assoziationen. Nach einer Stunde konnte es aber schon weiter gehen.


Obwohl die Landschaftsform keine andere war als kurz vorher, erstreckte sich nun rechts und links von der gut ausgebauten Straße steppenähnliches Ödland: versumpfte Weiten, kleine Sträucher und weithin gelb leuchtende Flecken blühender Goldraute. Manchmal erblickte man ein altes Haus oder auch einen dorfähnlichen Rest. Das war also übrig geblieben von den einstmals fruchtbaren Feldern einer funktionierenden Landwirtschaft sowie von den malerisch gelegenen Dörfern und Gütern dieser Region. Es fehlten die Wälder, die auch im Ostpreußenlied besungen werden. Die in 700 Jahren geprägte Region hatte nahezu vollkommen ihr ursprüngliches Gesicht verloren. Diese Realität, 68 Jahre nach dem Kriegsende, hinterlässt Traurigkeit. Kurz vor Königsberg dann einige bearbeitete Flächen.


Das Hotel, das für vier Nächte unser Anlaufpunkt war, liegt am Rande von Königsberg mit Blick auf den Mühlensee. Es ist ein modernes Hotel, in dem wir uns wohl gefühlt haben. Die Stadtbesichtigung am folgenden Sonntag ernüchterte uns sehr: eine durch sozialistische Plattenbauten und breite Prospekte geprägte Stadt. Nur ein paar historische Bauten, wie die schönen Stadttore, der mit vielen Spenden wieder aufgebaute Dom, die Stadthalle, das Theater, die Börse, einige Speicher am Hafen sowie der Nordbahnhof lassen die einstige Schönheit und Bedeutung der Stadt am Pregel erahnen. Auch am Zoo und in ehemaligen Villenvierteln spürt man noch etwas von dem alten Flair.


Nachdem der Deutsche Orden 1255 mit Hilfe des Königs Ottokar von Böhmen das Samland erobert hatte, errichtete er hier an der Stelle einer ehemaligen prussischen Befestigung eine Ordensburg, die zu Ehren des böhmischen Königs den Namen „Coningsberg“ erhielt. In ihrem Schutz entwickelte sich eine deutsche Siedlung, die von dem Landmeister Konrad von Thierberg 1286 das Stadtrecht erhielt. Nach dem Fall der Marienburg verlegte der Hochmeister des Deutschen Ordens seinen Sitz in die Königsberger Burg. Die Entwicklung Königsbergs ist aber vor allem mit dem 18. Januar 1701 verbunden, als der Kurfürst Friedrich von Brandenburg sich in der Schlosskirche zum preußischen König krönte. Als Hauptstadt von Preußen spielte Königsberg nun eine wichtige wirtschaftliche und politische Rolle. Bedeutende Persönlichkeiten sind mit dieser Stadt verbunden, wie u.a.: Emanuel Kant, E.T.A. Hoffmann, Käthe Kollwitz und Agnes Miegel.


Am nächsten Tag führte uns unsere Fahrt nach Insterburg, Gumbinnen, Trakehnen und Georgenburg. Unsere Eindrücke waren äußerst widersprüchlich. Insterburg, an der Angerapp gelegen, wurde vom Deutschen Orden 1336 unter Dietrich von Altenburg gegründet. Die Stadt hatte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Eisenbahnknotenpunkt entwickelt. Die blühende Landwirtschaft des Kreises, besonders auch mit ihrer Vieh- und Pferdezucht und das Entstehen von mittleren Industriebetrieben förderten die Stadtentwicklung. Außerdem wurde Insterburg zur Reiter- und Turnierstadt des Ostens. Bereits 1839 fanden hier erste Pferderennen statt.


Im heutigen Insterburg erinnern noch die beiden vorhandenen Kirchen sowie einige Häuserfassaden aus der Gründerzeit an den früheren Wohlstand der Stadt. Der Alte Markt mit der Lutherkirche und dem Rathaus, der früher zu den schönsten Plätzen Ostpreußens gezählt wurde, fehlt. Er wurde nach dem Krieg zugunsten eines Lenindenkmals niedergerissen. Dafür prägen jetzt die stark renovierungsbedürftigen Plattenbauten das Stadtbild. Unser Spaziergang führte uns auch über die Angerapp zu einem Gedenkstein für Ännchen von Tharau, die hier in Insterburg als Pfarrerswitwe 1689 verstarb. Mit dem Lied, das der Königsberger Simon Dach ihr widmete, war sie auch auf unserer Reise gegenwärtig.


Gumbinnen, unser nächstes Ziel, überraschte uns mit seinen sauberen Straßen, den sanierten Häuserfronten, in die harmonisch neue Gebäude eingefügt worden waren, und den kleinen Parkanlagen im Stadtzentrum, wo auch das Elchstandbild seinen angestammten Platz behauptete. Gumbinnen hatte nach den Pestjahren 1709-11 durch das Besiedelungsprogramm des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. einen wirtschaftlichen Aufschwung bekommen, als die reformierten Schweizer und Salzburger hierher kamen. Die restaurierte Kirche der Salzburger war auch unser Ziel. Sie ist ein wichtiger Faktor in der religiösen und sozialen Betreuung der Einwohner geworden.


Weiter führte uns unsere Reise nach Trakehnen, das einmal der Inbegriff für die Zucht von edlen Warmblütern war. Von 1726 bis 1732 ließ der preußische König in der ausgedehnten Niederung das königliche Stutamt Trakehnen errichten – ein Pferdeparadies. Jetzt erinnern nur noch das Tor mit der Elchschaufel, das Landstallmeisterhaus sowie ein kleiner Teil der Stallanlagen an diese Ära – Pferde fehlen. In den Museumsräumen betrachteten wir einige Dokumente, Bilder und einen Film aus dem Jahr 1937, der uns einen kleinen Eindruck von dem damaligen Trakehnen vermittelte.


Auf der nächsten Station in Georgenburg konnten wir uns von der Ursprünglichkeit dieses Gestütes noch eine Vorstellung machen. Seit 2002 baut ein russischer Privatinvestor das Gestüt wieder auf. Es werden Pferde gezüchtet, unter anderem Trakehner.


Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Georgenburg Sammellager für deutsche Kriegsgefangene und verschleppte deutsche Frauen, bevor sie von dort in die Weiten Russlands transportiert wurden. Viele fanden schon in Georgenburg den Tod. In unserer Gruppe war eine Mitreisende, die von hier aus ihren Leidensweg nach Sibirien antreten musste.


Nach so vielen geschichtsträchtigen Oreten ging unsere Fahrt am Dienstag von Königsberg zur Kurischen Nehrung. Wir fuhren durch das Ostseebad Cranz, das nun nach Jahren der Vernachlässigung ein neues Aussehen bekommt. Es entstehen acht- bis zehngeschossige Neubauten, die sich etwas an die ehemalige Bäderarchitektur anlehnen, aber durch die Größe die Idylle eines Badeortes erdrücken. Die Nehrung, die Naturschutzgebiet ist, empfing uns dann aber mit einer Ruhe, die uns allen gut tat. Endlich Wald, endlich Natur, die nicht belastet ist!


In Sarkau besuchten wir das Museum, das in seinen Räumen mit vielen Ausstellungsstücken ein Bild vom Leben der ursprünglichen Bewohner - vorwiegend Fischer – vermittelt. Auch einen Kurenwimpel, der früher hoch am Mast der Kurenkähne Auskunft über Ort und Eigner gab, konnten wir in Originalgröße betrachten. Die Fahrt ging weiter nach Rossitten, wo seit 1903 mit Johannes Thienemann die Beringung der Zugvögel auf der Nehrung ihren Anfang nahm. In der Feldstation, zeigte und erläuterte uns Anatol Schapoval, der Leiter der Station, die Beringung und Registrierung der eingefangenen Vögel.


Das nächste Ziel war Pillkoppen. Beidseitig von Wald gegrenzt, hatte man auf der schmalen Nehrungsstraße das Gefühl – vielleicht auch den Wunsch – aus dem Dickicht des Waldes einen Elch hervortreten zu sehen. Die gewaltigen Dünen sind auch heute noch trotz aller Befestigungsarbeiten in Bewegung und werden besonders von den Herbststürmen angegriffen. Auf einem mit Holzplatten befestigten Weg stiegen wir die Ephadüne hinauf, die sich etwa 60 Meter über dem Meeresspiegel erhebt. Von zwei Aussichtsplattformen hatten wir nach dem recht steilen Anstieg einen herrlichen Blick über die Dünenlandschaft, über Ostsee und Haff. Die Ruhe und die scheinbare Unversehrtheit der Natur vermittelten den Eindruck, als wäre die Zeit stehen geblieben. Und doch, zwischen den Dünen lag zu unseren Füßen eine Feriensiedlung der reichen Russen. Auch hier hat der Bauboom begonnen und wird den Charakter des Dorfes Pillkoppen und der Landschaft verändern. Unser letzter Abend im Hotel in Königsberg wurde mit einem musikalischen Streifzug durch die russische Folklore und Musikstücke aus aller Welt umrahmt.


Die Rückreise aus dem nördlichen Ostpreußen führte uns zunächst nach Pillau. Diese Hafenstadt am Frischen Haff mit dem einzigen Zugang zur Ostsee hatte eine wechselvolle Geschichte. Sowohl die Schweden, die Russen als auch die Franzosen setzten hier im Laufe der Jahrhunderte ihre Begehrlichkeiten um. Am 25. April 1945 wurde diese Stadt von der Roten Armee erobert und war bis vor kurzem militärisches Sperrgebiet. Heute zeigt sich dieser Ort mit vielen Kasernen dem Besucher im Wandel zu einer zivilen Stadt. Von hier aus machten wir uns über Königsberg auf den Weg nach Elbing. Die Abfertigung an der Grenze verlief schnell und reibungslos. Zum Abendessen erreichten wir Elbing und damit erwachte wieder unsere Unternehmungslust. Ein Gang durch die Altstadt zum Elbingfluß endete in dem Restaurant „Unter dem Hahn“, wo wir erfreut begrüßt wurden.


Für den nächsten Tag, den Donnerstag, waren ein Stadtrundgang mit Besuch der Majolikaausstellung im Museum und ein Einkehren bei der Deutschen Minderheit auf dem Programm. Alternativ wurden auch eigene Initiativen umgesetzt. Elbing ist derzeit eine große Baustelle. Die fertigen Brücken über den Elbingfluß haben uns erfreut. Ein Anziehungspunkt für den Besucher ist im Nachbau des Altstädtischen Rathauses gegenüber der Nikolaikirche das Stadtmodell von Hans Pfau, Vorsitzender des Pangritz-Clubs, das Elbing darstellt, wie es im Jahre 1635 ausgesehen hat.


Tags darauf brachen wir zu einer Besichtigung der alten Güter im Kreis Pr. Holland auf. Schlobitten gehörte den Fürsten zu Dohna. Diese um 1700 erbaute Barockschlossanlage ist nur noch eine ausgebrannte Ruine, die aber auch in diesem Zustand noch ihre ehemalige Schönheit erahnen lässt. In Quittainen sahen wir ein restauriertes Herrenhaus und daneben die Ruine der Orangerie. Dieses Gut gehörte den Grafen von Dönhoff. In Weeskenhof fanden wir ein intaktes Gut mit umfangreicher Pferdezucht vor. Verschiedene Pferderassen werden hier eingekreuzt. Ein Abstecher nach Pr. Holland war mit der Besichtigung der ehemaligen Ordensburg und der Hauptkirche verbunden. Auf dem landwirtschaftlichen Anwesen des Tadeuscz Kawa machten wir eine Vesperpause. Auf seinem Hof werden auch Urlaubsquartiere angeboten. Für die Rückreise erwarben wir hier Produkte aus seinem ökologisch geführten Betrieb.


Zurück in Elbing hieß es Abschied nehmen, denn am nächsten Morgen ging es auf die Heimfahrt mit Besichtigung der Burg Mewe und des Klosters Pelplin, weiter durch die Tucheler Heide nach Stettin zur letzten Übernachtung.


Es war eine Reise mit vielen Eindrücken und neuen Kenntnissen zu Teilen Ostpreußens die etlichen von uns bisher unbekannt geblieben waren. Das Erlebte hat die Reiseteilnehmer zu einer Gemeinschaft zusammen geführt.


Karin Uffmann-Kuhn,

stellvertretende Heimatkreisvertreterin

Elbing-Stadt und Elbing-Land