Heimatkunde

Entwicklung des ÖPNV auf der Elbinger Höhe



Wege um den Butterberg (von Gisela Brauer)


Die Elbinger Höhe war ein weites Land mit großen und stattlichen Bauernhöfen; als höchste Erhebung ist der Butterberg in der Nähe von Trunz zu erwähnen.


Als in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts Eisenbahnstrecken in Ost- und Westpreußen gebaut wurden, blieb dieser Landschaftsteil mit den Dörfern Damerau, Königshagen, Behrendshagen, Baumgart, Trunz, Maibaum, Haselau, Rückenau, Hütte, Dünhöfen und Neukirch Höhe unerschlossen. Hier mussten die Bauern nach wie vor ihre Wagen anspannen, wenn sie Besorgungen in Elbing zu machen hatten. Diese Besorgungen erschöpften sich keineswegs in dem Transport von Kartoffeln und Getreide oder in einem Besuch beim Notar oder Amtsgericht. Da wollten auch die Landfrauen Eier, Schlachthühner und Butter auf dem Wochenmarkt in Elbing verkaufen. Als besondere Spezialität sei hier die Grasbutter bzw. grüne Butter erwähnt, die auf Salatblättern angeboten wurde. Es handelte sich hierbei um Butter, die aus der Milch gewonnen wurde, nachdem die Kühe im Frühjahr wieder auf die Weide gekommen waren.


Wer hier Pferd und Wagen besaß oder auch nur ein Pferd zum Reiten, konnte sich sehr glücklich schätzen. Einige Bauern ließen ihre Söhne täglich in das Gymnasium in Elbing kutschieren, andere gaben ihre Sprösslinge dort in Pension und holten sie nur zum Wochenende und für die Dauer der Schulferien heim. Es waren hier aber auch noch andere Wege zurückzulegen. So befand sich die katholische Kirche für die Dörfer der Elbinger Höhe in Neukirch Höhe, die evangelische Kirche in Trunz, und die Kinder von Haselau, Rückenau und Dünhöfen mussten z.B. nach Hütte zur Schule. Und wer kein Fahrrad besaß und keine Mitfahrgelegenheit mit einem Bauernfuhrwerk hatte, musste diese Strecken zu Fuß zurücklegen.


So war 1894 Karl Maß als so genannter zweiter Lehrer nach Hütte gekommen. Das tägliche Mittagsmahl konnte er (nach einer festgelegten Reihenfolge) bei den Bauern im Dorf einnehmen. Trotzdem gab es für den jungen Schulmeister auch einiges in Elbing zu erledigen. Er musste auch zum Bahnhof gelangen, wenn er, der Bauernsohn aus dem pommerschen Kreise Kolberg, während der Ferien nach Hause fahren wollte.


Als er 1896 nach Baumgart in die erste Lehrerstelle versetzt wurde und geheiratet hatte, stellte sich hier dasselbe Problem für ihn und seine junge Frau. Sie waren auf die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Bauern in Baumgart angewiesen, wenn sie nach Elbing wollten. Oftmals wurde schon tagelang vorher im Dorf eine Mitfahrgelegenheit ausgekundschaftet.


Diese Marktlücke erkannte Junior Hohmann, ein Bauernsohn aus Haselau. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg machte er seinem Vetter Paul Eichholz den Vorschlag, in diesem Gebiet eine private Omnibuslinie einzurichten. Paul Eichholz, der inzwischen Schiffbauingenieur geworden war, beteiligte sich an diesem Unternehmen mit seinen technischen Kenntnissen. Das Geschäft lief mit zwei alten klapprigen Omnibussen an und erfreute sich auch bald großer Beliebtheit bei den von aller Welt verlassenen Bewohnern der Elbinger Höhe. Der junge Schiffbauingenieur musste sich oftmals etwas einfallen lassen, damit die Fahrgäste heil und sicher die Wege um den Butterberg transportiert werden konnten und der Fahrplan auch noch eingehalten wurde. Trotzdem sah Paul Eichholz der Sache skeptisch entgegen. Er ging aus beruflichen Gründen nach Petersburg und stieg aus dem Omnibusunternehmen seines Vetters aus. Er konnte sich damals einfach nicht vorstellen, dass ein solches Unternehmen eine erfolgreiche Zukunft haben könnte.


Der präzise denkende, auf Sicherheit bedachte Techniker Paul Eichholz wandte sich seinen mathematisch berechenbaren Aufgaben zu, während der schöpferische, initiative Kaufmann Hohmann, wie andere Landsleute in der Gründerzeit, z.B. Ferdinand Schichau, das Einzelunternehmen zu einer großen Entfaltung führte. Die Bedeutung des Transportunternehmens Hohmann lag insbesondere in der Monopolstellung, da keine anderen Verkehrslinien über den Höhenrücken im Osten Elbings führten. Die nächste Verkehrsader war die Haffuferbahn von Elbing entlang der Haffküste über Haffschlösschen, Cadinen und Tolkemit. Schon nach wenigen Jahren waren die alten, klapprigen Omnibusse längst vergessen. Neue stattliche Omnibusse in ausreichender Anzahl traten täglich mehrmals die Wege um den Butterberg an.