DER LANDKREIS ELBING   
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TOLKEMIT (5)


Durch die Aufhebung des Domänenamtes erlitt Tolkemit schweren Schaden. Bis 1805, in welchem Jahre das Domänenamt Elbing aus für das Tolkemiter Gebiet zuständig wurde, hatten sich die Bewohner der Ortschaften des Tolkemiter Domänenamtes nach Tolkemit gehalten, da sie ja beim Amt Geschäfte hatten. Jetzt zog sich der Verkehr naturgemäß nach Elbing, wenigstens zum größeren Teile. Ein kleinerer Teil blieb Tolkemit erhalten, da das 1803 errichtete Land- und Stadtgericht noch viele Landleute hierher zog. Sie setzten ihre Erzeugnisse in der Stadt ab und machten Einkäufe. 1828 wurde auch dieses Gericht (als Richter amtierte von 1803-27 der Stadt- und Landrichter Knorr) aufgehoben und mit dem Elbinger vereinigt. Nun büßte Tolkemit auch den letzten Verkehr mit den ehemaligen Domänenamtsortschaften ein, zugunsten Elbings. So verarmte die Stadt allmählich immer mehr. Der Bürgermeister Pohl legte dieses 1836 dem Landratsamt dar, doch ohne daß Abhilfe geschaffen wurde. Die großen Städte wuchsen an und wurden reich, die kleineren verarmten oder nahmen jedenfalls keinen Fortgang. Das war und blieb die Entwicklung im 19. Jahrhundert.

Die Waldungen der ehemaligen Starostei bildeten in der preußischen Zeit das Königliche Forstamt Tolkemit, in dem es drei Unterförstereien gab: Wiek, Hohenwalde und Teckenort.. An seiner Spritze stand ein Oberförster, der seinen Amtssitz in Stellinen hatte. Die Oberförsterei Stellinen hörte 1864 auf und wurde zur Revierförsterei.

Die preußische Zeit brachte auch die Bildung einer evangelischen Gemeinde in dem bis dahin ganz katholischen Tolkemit.

Schon in den letzten Jahren der polnischen Herrschaft gab es einige Evangelische in Tolkemit, die die beiden letzten Starosten Protestanten waren. Seit 1772 bildete sich eine kleine evangelische Gemeinde in Tolkemit, die sich zur Kirche Lenzen hielt. Sie blieb aber immer recht klein, und erst 1887 erhielt sie ihre eigene Kapelle. Von 1861–1890 gehörte sie nach Frauenburg, dann von 1891 bis 1914 nach Lenzen, von 1914-1920 bildete sie mit Cadinen einen besonderen Vikariatsbezirk, von 1920-1922 gehörte sie wieder nach Lenzen, seitdem zu Frauenburg.

In der ersten preußischen Zeit bildete sich in Tolkemit auch eine jüdische Gemeinde, die aber keinen langen Bestand hatte.

Zur Ordenszeit durften Juden im Preußenlande nicht wohnen. In der polnischen Zeit bestand dieses Verbot nicht mehr in alter Strenge. Edelleute, Starosten und kleine Städte gestatteten Juden zuweilen, in ihren Gebieten zu wohnen. Die großen Städte dagegen, Danzig, Thorn und Elbing, verschlossen sich den Juden. Nach 1825 protestierten Elbings Stadtverordnete gegen die Aufnahme von Juden in den Mauern der Stadt.

Anders verhielt sich Tolkemit. !776 tauchte hier vorübergehend der erste Jude auf. Er hieß Isaak Abraham. 1777 nahm er hier als Schutzjude dauerhaft seinen Wohnsitz. Schutzjude hieß er deshalb, weil er unter dem Schutz der Behörden stand. Isaak Abraham betrieb in Tolkemit ein Manufakturwarengeschäft. Den oberen Raum seines Hauses richtete er zur Betstube für die kleine jüdische Gemeinde ein, die zunächst nur aus seiner Familie bestand. 1790 kam der zweite Schutzjude nach Tolkemit, Samuel Dodrus, 1796 der dritte, Abraham Salomon als Schwiegersohn Isaak Abrahams. Bald war die Judengemeinde noch weiter angewachsen. Ihre Toten mußten sie in dem 11 Meilen entfernten Königsberg unter großen Schwierigkeiten und mit außerordentlich hohen Kosten begraben. Erst 1803 erhielt sie einen Friedhof in Tolkemit an der Straße nach Frauenburg, auf einem kleinen sandigen Berge, dem „Polnisch-Hansenberge“.

1812 erhielten die Juden in ganz Preußen Staatsbürgerrechte und Familiennamen. Bis dahin hatten sie nur Vornamen, z.B. Isaak Abraham usw. Isaak Abraham, der erste Schutzjude und Gemeindeälteste, nahm daher den Namen Cohn an.

Nach 1812 verließen die meisten Glieder der kleinen Judengemeinde die Stadt Tolkemit. Die Judensiedlung, die zeitweilig, z.B. 1793, ein halbes Hundert Menschen umfaßt hatte, hörte fast völlig auf, von ihrem Friedhof ist keine Spur mehr vorhanden.

In der ersten preußischen Zeit waren zum Zwecke der Verwaltung die Städte zu besonderen Kreisen, den sogenannten Steuerkreisen, zusammengefasst. Die Stadt Tolkemit gehörte zum steuerrätlichen Kreise Marienwerder-Marienburg. Zu diesem Kreise gehörten die Städte Marienwerder, Riesenburg, Garnsee, Freystadt, Bischofswerder, Deutsch-Eylau, Rosenberg, Marienburg, Stuhm, Christburg, Neuteich und Tolkemit. Der Kriegs- und Steuerrat hatte größtenteils seinen Amtssitz in Riesenburg. Er führte die Aufsicht über die Städte seines Kreises. Das Amt der Steuerräte bestand bis zum Jahre 1809.  Die Städteordnung vom 19. November 1808 machte ihm ein Ende.

Bei der Einführung der Städteordnung in Tolkemit am 20. Juni 1809 betrug die Einwohnerzahl der Stadt 1782, die der Bürger 161, der stimmfähigen Bürger 133. Der Magistrat bestand hinfort aus 6 Mitgliedern. Die ersten waren der Bürgermeister von Retzow (er war vorher Landrat zu Preußisch-Polen gewesen, das Preußen durch den Tilsiter Frieden 1807 verlor), der Kämmerer Pasternak und die vier Ratmänner Gaering, Oberstein, Merten und Schultz. Einer der Ratmänner, der den Bürgermeister in besonderen Fällen zu vertreten hatte, wurde Beigeordneter genannt. Die neu gebildete Gemeindvertretung hatte 18 Mitglieder.

Nach Einführung der Städteverordnung kam Tolkemit zum Marienburgischen Kreis, dessen Landrat seinen Amtssitz in Christburg hatte. Es gab außerdem noch einen landrätlichen Assistenten, den Oberbürgermeister Bax in Elbing, dem auch Tolkemit unterstellt war. Als 1818 der Elbinger Kreis gebildet wurde, kam Tolkemit zu diesem Kreis.

Bald nachdem Tolkemit preußisch geworden war, erhielt es ein Acciseamt, d.h. ein Amt, das nach unserem heutigen Sprachgebrauch die indirekten Steuern von Gegenständen des täglichen Gebrauchs zu erheben hatte. In Tolkemit geschah das an den Stadttoren. An der Spitze des Tolkemiter Acciseamtes standen ein Accise-Einnehmer und ein Accise-Kontrolleuer, ferner gehörten zu ihm vier Torschreiber, die auch Visitatoren oder Beschauer genannt wurden. Der erste Tolkemiter Einnehmer hieß Wenny, der erste Kontrolleur Kretlau. Über den gesamten Handel übte das Acciseamt die Kontrolle aus.

Auf Anordnung des Acciseamtes wurden die beiden Pforten in den Stadtmauern geschlossen, um Steuerhinterziehungen vorzubeugen.

Die preußische Zeit brachte der Stadt manche Förderung.

Der beinahe unverständliche, jedenfalls unverzeihliche Mangel an Feuerlöschgeräten wurde in preußischer Zeit bald behoben: 1778 wurde eine große Feuerspritze angeschafft.

1785 wurde die Schule auf dem städtischen Kirchhof in Backsteinfachwerk erbaut.

Ein Ereignis, das ein Chronist erzahlt und das damals große Aufregung verursachte, möge hier eine Stelle finden: Im August 1796drang ein toller Wolf in Tolkemit ein und biß viele Menschen, von denen zwei starben. Verfolgt lief er nach Kickelhof, wo er auch noch Unheil anrichtete.

Der dortige Hirt starb an den Bisswunden. Schließlich wurde der Wolf getötet.

1802 wurde die erste Botenpost in Tolkemit eingeführt. In demselben Jahre brach ein Teil der Stadtmauer zusammen. Sie wurde allmählich niedergerissen, allerdings sehr gemächlich in mehreren Jahrzehnten. Das Fischertor in der heutigen Fischerstraße, das sich etwa dort befand, wo heute die evangelische Kapelle steht, war wohl schon zugemauert worden, während die übrigen Tore noch bestanden.

Im unglücklichen Krieg hatte Tolkemit ebenso wie Cadinen besonder viel Ungemach zu erleiden. Vom 5.

Februar bis zum 7. Dezember 1807 lag französische Einquartierung in der Stadt. Preußische

Handelsschiffe, mit Kanonen bewaffnet, schossen vom Haff oft nach Tolkemit hineine und richteten manschen Schaden an.

Die Stadt mußte den Feinden unmäßig viel Getreide, Schlachtvieh und Futter liefern. Der damalige

Amtmann Hart wurde von den Feinden schwer bedroht, wenn die Lieferungen nicht pünktlich erfolgten. Zu allem Ungemach kam noch eine Seuche, die rote Ruhr, hinzu. Von den 1347 Bewohnern der Stadt starben 283. In Haselau, Hütte, Conradswalde und Louisenthal herrsche zudem noch die Viehseuche, die bald nach Tolkemit kam. Fast alles Rindvieh ging ein.

In ihrem Verkehr mit der Bevölkerung waren die Franzosen höflich. Auf der alten Preußenburg, der Tolkemita machten sie Gänge und Anlagen und schufen hier einen beliebten Vergnügungsort.

1812 bei dem Durchzug der großen Armee nach Rußland hatte Tolkemit wieder unter Einquartierungen und Kriegssteuern sehr zu leiden. Bei dem Rückzuge im Winter 1812/13 berührten viele von den ehemals stattlichen Kämpfern in erbarmungswürdigen Zustand die Stadt.

Bald kamen dann die Russen. Vom 11. Januar 1813 an lagen ihrer sehr viele in Tolkemit im Quartier. Ständige Durchzüge von russischen Truppen blieben nun die Regel bis in den Monat Juli hinein.

Noch eine Plage kam 1813 über die Stadt. Die auf der Flucht von Rußland befindlichen Franzosen hatten den Typhus eingeschleppt, der in Tolkemit einige Opfer forderte.

Als das preußische Volk sich im Anfang des Jahres 1813 gegen Napoleon erhob, bildete sich auch in Tolkemit ein Landsturmbataillon, dessen Kommandeur der Stadt- und Landrichter Knorr und dessen Rittmeister der Bürger Schulz wurde.

Am 17. Januar 1818 wütete ein orkanartiger Sturm in der Tolkemiter Gegend, der Bäume umriß, Dächer abdeckte und leichtere Gebäude, wie das Tolkemiter Spritzenhaus, ganz umwarf. Es ist eigentümlich, daß fast genau hundert Jahre später, Anfang Januar 1918, ebenfalls ein außerordentlich heftiger Sturm unser Gebiet heimsuchte.

Als 1823 Bürgermeister Pasternack gestorben war, wurde Land- und Stadtrichter Peter Knorr einstweiliger Bürgermeister. Er blieb aber nicht lange, da er sich eine Überschreitung seiner Amtsbefugnisse zuschulden kommen ließ. Er alarmierte die Bürgerschaft, um einige betrunkene Handwerksgesellen, die einen Bürger beleidigt hatten, zu verprügeln. Dies geschah in roher und barbarischer Weise. Knorr führte das Bürgermeisteramt nur einige Monate.

1821 wurde in Tolkemit das Untersteueramt aufgehoben.

1832 erhielt die Stadt eine Apotheke. Der Apotheker Leopold Mayne aus Wehlau erstand vom Rittergutsbesitzer Eduard Birkner in Cadinen den ehemaligen Amtskrug und richtete hier die Apotheke ein. Sie befindet sich noch heute dort.

Von 1831 bis 1840 fand in Tolkemit, allerdings mit Unterbrechungen, die Gemeinheitsteilung oder Separation statt. Sie wurde mangelhaft und unzweckmäßig durchgeführt. Trotzdem wurde durch sie der Bodenertrag auf mehr als das Doppelte gesteigert. Man kann sich daraus eine Vorstellung machen, wie armselig das Städtchen Tolkemit zur Zeit der Gemeinheitswirtschaft war.

1831 trat der Mühlenfreibach über seine Ufer und richtete eine große Überschwemmung an. Es bildete sich durch die mitgeschwemmten Sandmassen an der westlichen Seite seiner Mündung eine Landzunge, und auf dieser wuchs bald ein schmuckes Erlenwäldchen empor, das heute eine besondere Zierde der Stadt ist.

!831 brach in Polen die Cholera aus. Trotz Grenzsperrung und vieler Vorsichtsmaßregeln kam die furchtbare Krankheit auch nach Preußen. Die Seuche hielt auch in Elbing ihren Einzug. Der Landkreis wurde nach dem damals üblichen Verfahren abgesperrt. Späterhin, als ein besonderer Teil des Kreises von der Cholera ergriffen wurde, wurde die Absperrungslinie von Succase über Lenzen, Rehberg und Trunz gezogen, so daß der nördliche Teil des Kreises zunächst von der Seuche verschont blieb. Da aber der Landrat Abramowski diese Absperrungslinie bald aufhob, hielt Tolkemit allein noch die Sperre gegen Elbing aufrecht. Schließlich mußte auch sie fallen. Am 10. Oktober forderte sie in unserem Städtchen das erste Opfer. Bald folgten weitere Todesfälle. Zum Glück hatte die Stadt nur einen Monat unter der Seuche zu leiden, bis zum 14. November. Es waren 122 Menschen an Cholera erkrankt, 63 davon waren gestorben.

Die Revolution von 1848 blieb auch in Tolkemit nicht ohne Folgen. Die Arbeiter rotteten sich eines Abends zusammen, zogen dröhnenden Schritts durch die Straßen und sangen Freiheitslieder. Dem Mühlenbesitzer Ferdinand Wichmann und dem Stadtkämmerer Joseph Beuth warfen sie die Fenster ein und verübten noch weitere ähnliche Streiche. Um 10 Uhr abends machte ein Regen ihrem Treffen ein Ende. Um Ausschreitungen zu begegnen, wurde eine Bürgerwehr ins Leben gerufen.

Am 1. November 1848 brach wieder die Cholera in Tolkemit aus. Sie erlosch am 6. Januar 1849. 126 Menschen waren erkrankt, davon waren 62 gestorben.

Als die Ostbahn gebaut wurde (1846-1867), plante man zunächst, die Strecke Elbing-Braunsberg über die Höhe in der Linie Trunz, Hütte, Neukirch zu führen. Der Schwierigkeiten wegen nahm man bald davon Abstand. Nun wollte man die Bahn das Haffufer entlang an Tolkemit vorbei bauen. Die Linie wurde bereits mit Fähnchen abgesteckt. Die Städte Tolkemit und Frauenburg verhielten sich diesem Plan gegenüber ganz teilnahmslos. Die Grafen Dohna aber setzten ihren Einfluß mit Erfolg dafür ein, daß die Strecke über Schlobitten-Mühlhausen gebaut wurde. Ei halbes Jahrhundert mußte Tolkemit nun noch auf eine Bahn warten. Die Haffuferbahn wurde 1900 in Betrieb genommen..

!850 erwarb die Stadt das alte St. Georgshospital. Dieses wurde in ein neues Gebäude verlegt.


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