DER LANDKREIS ELBING   
Start. Stadt Elbing. Landkreis Elbing. Westpreußen. Dorfgemeinschaften. Familienforschung. Heimatkunde. Beiträge. Impressum.

Neustädtische Fähre


Ungefähr dort, wo heute die Eisenbahnbrücke über den Elbing geht, nur etwas nördlicher, und nicht in südwestlicher, sondern in westlicher Richtung, führte früher die neustädtische Fähre. Über sie ging in der Ordenszeit die große, bedeutende Verbindungsstraße zwischen den Ordensschlössern Elbing und Marienburg. Hinter der Fähre führte sie auf dem südlichen Fischaudamm weiter. Vom Ordensschloß Elbing, das ungefähr dort, wo heute die altstädtische Mädchen-Realschule sich befindet, und südlich davon lag, ging der Weg durch das Burgtor zum Vorberg, von dort zum Inneren Marienburger Damm, dann durch die sogenannte Kälberpforte oder das Marienburger Tor auf den Äußeren Marienburgerdamm  und von ihm in südwestlicher Richtung an den Elbing. Hier befand sich eine Brücke, die „hohe Brücke“, die später zur neustädtischen Fähre wurde. In der Ordenszeit aber war diese Brücke, ihrer Bedeutung entsprechend, sehr stattlich und schön. Auf ihr stand nach einem Bericht von 1404 ein Roland, an ihrem Anfang ein Marienbild mit einem Gotteskasten, in den die Vorübergehenden milde Gaben legten. Dieses Bild war 1417 noch vorhanden. Der Verkehr war hier sehr lebhaft. Alle Ordensherren in ihren weißen Mänteln mit dem schwarzen Kreuz, alles Volk mußte über diese Brücke, die allein die Verbindung zwischen Elbing und Marienburg vermittelte. Die Brücke gehörte der neustädtischen, nicht der altstädtischen Kämmerei. Die Neustadt hatte auch den Hauptnutzen von dem Verkehr, der über diese Brücke führte. In der Neustadt herbergten alle Durchreisenden, die auf dieser Straße zogen. Die der mächtig aufstrebenden Altstadt hintanzuhalten und sie nicht zu reich und stark werden zu lassen. Sehr geschickt hatte der Orden die neue Stadt im Osten der alten begründet. Hier konnte sie der Altstadt allen Verkehr abfangen, der über den Elbing ging. Es bestanden daher an der Landstraße auch eine Menge neustädtischer Gasthäuser. In der Neustadt wohnten deshalb auch viele Fleischer, Bäcker und Branntweinbrenner.


Die neustädtische Kämmerei hatte die „hohe Brücke“ zu unterhalten. Als diese 1444 baufällig geworden war, wollte die Neustadt sie neu erbauen. Aber die Altstadt ließ dies nicht zu; sie behauptete, die Brücke nebst Umgebung wäre ihr 1440 vom Komtur Heinrich Reuß von Plauen (1432-40, 1441 – 66) geschenkt worden. Da die Neustadt nun die Brücke nicht bauen konnte, errichtete sie an ihrer Stelle eine Fähre, um den Verkehr aufrecht zu erhalten. Die Sache kam 1445 vor den Hochmeister Konrad von Erlichshausen (1441 – 49). Er entschied, daß die Brücke nebst Umgebung der Altstadt gehören sollte. (Durch diese Entscheidung wollte der Hochmeister wohl die mächtige Altstadt für den Orden gewinnen, denn um den Orden war es damals schon sehr schlimm bestellt.)

Darüber herrschte im altstädtischen Rat eitel Freude, der durch einen fröhlichen Trunk der Bürgermeister und Ratsherren im Rathausgärtchen Ausdruck gegeben wurde. Die Altstadt sollte nun zwar die Brücke bauen, aber zunächst tat sie es nicht, und dann kam der dreizehnjährige Krieg (1454 – 66) mit seinen bösen Folgen, und da konnte und wollte sie den Bau nicht mehr ausführen. Und so ist die Brücke nie mehr zustande gekommen, obwohl der Hochmeister Heinrich von Richtenberg (1470 – 77) auf dem polnischen Reichstag zu Petrikau 1470 und der Hochmeister Herzog Friedrich von Sachsen (1498 – 1510) auf dem Krakauer Reichstag 1499 sich darüber beschwerten. Aber was hatten damals die armen Hochmeister des ehemals so gefürchteten, seit 1466 aber so gedemütigten und verachteten Deutschen Ordens in Polen noch zu sagen und zu bedeuten! Die Altstadt baute die Brücke eben nicht, da halfen alle Beschwerden der Hochmeister nichts.


Die Neustadt aber wurde nicht müde, ihre Ansprüche auf diesen wichtigen Elbingübergang bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder von neuem geltend zu machen. Allein ganz ohne Erfolg! Die Lage der Neustadt, die nach Aufhören der Ordensherrschaft von der Altstadt in jeder möglichen Weise benachteiligt und geschädigt wurde, verschlechterte sich 1555 sogar um ein Bedeutendes. Denn wenn die Fähre auch der Neustadt nicht mehr gehörte, so führte über sie doch noch immer die Landstraße nach Marienburg und damit der Verkehr mit allen für die Neustadt so erfreulichen Folgen. Aber 1555 wurde die altstädtische Fähre eingerichtet, die sich dort befand, wo heute die Berliner Chaussee über die Fischau geht. Das war ein meisterhafter Zug der Altstadt, denn nun mußte der ganze Verkehr über die Speicherinsel und die jetzige hohe Brücke durch die Altstadt gehen. Die Neustadt wurde ganz ausgeschaltet. Sie blieb an der Seite liegen. Seitdem die altstädtische Fähre eingerichtet war, ging die neustädtische ein. Das war ein zu schwerer Schlag für die Neustadt, als daß sie sich dabei hätte beruhigen können. Sie beschwerte sich beim polnischen König über diese Gewalttat der Altstadt. Drei Jahre ließ die Entscheidung auf sich warten. Erst 1558 kam sie. Sie war für die Neustadt günstig. Der alte Zustand sollte wieder hergestellt werden. Das geschah auch am 12. September 1558. Aber die  altstädtische Fähre blieb ebenfalls bestehen. 1559 einigten sich Altstadt und Neustadt durch einen in Stuhm geschlossenen Vergleich, der 1660 bestätigt wurde. Danach sollten beide Fähren unterhalten werden. Aber der Verkehr über die neustädtische Fähre hatte durch die dreijährige Pause von 1555 – 58 schon sehr gelitten und kam nie wieder auf die alte Höhe, denn der Weg zur Stadt über die altstädtische Fähre war näher und besser.


Nach 1772 ging der Verkehr über die neustädtische Fähre noch mehr zurück, denn mit accisepflichtigen Sachen durfte man nur über die altstädtische Fähre. Die Pacht für die neustädtische Fähre war daher auch nur sehr gering. 1809 wurde die Fähre an Andreas Mock vererbpachtet. Durch die von 1818 – 1823 gebaute Chaussee von Marienburg nach Elbing, die über die altstädtische Fähre führte, ging der Verkehr über die neustädtische Fähre noch mehr zurück, so daß die Witwe Mock, als 1824 der Prahm unbrauchbar geworden war, keinen neuen mehr bauen ließ. Sie wurde zwar durch den Ausgang des Prozesses, den der Elbinger  Magistrat dieserthalb mit ihr führte, dazu gezwungen, einen neuen Prahm bauen zu lassen, aber die neustädtische Fähre war doch zu einem ganz nebensächlichen Elbingübergang geworden. Von ihrer großen Bedeutung zur Ordenszeit war nichts mehr übrig geblieben.




Sonstige Orte