Heimatkunde
Was sind eigentlich Mennoniten?
(Günter Mauter)
Viele kennen welche, einige sind mit ihnen verwandt, aber die meisten wissen kaum etwas von ihnen! Gemeint sind: die Mennoniten. Ältere Elbinger kennen noch "Feinkost Penner", "Colonialwaren Dyck" oder "Spedition Janzen", nicht zu vergessen die Namen "van Riesen", "Regier", "Wiebe", "Pauls" und "Siebert“. Alle diese Namensträger sind, bzw. waren, Mennoniten oder deren Nachkommen. Die Taufgesinnten, so hießen sie anfangs, hatten ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen und fanden u. a. dort Aufnahme, wo man "nach seiner Facon" selig werden durfte: z.B. in Preußen.
Mennoniten werden nach ihrer regionalen Herkunft (1) unterschieden.
Ihr Christentum ist kalvinistisch geprägt. Sie streben nach apostolischem Vorbild: das Neue Testament solle ganz Regel und Richtschnur für sie sein. Deshalb lehnen sie den Glaubenszwang ab und praktizieren die Glaubenstaufe, die nach dem 14. Lebensjahr stattfindet. Mennoniten vertreten die vollständige Trennung von Kirche und Staat und verwerfen Gewaltanwendung. Außerdem lehnen sie den Kriegsdienst ab und verweigern den Eid. Stattdessen bekräftigen sie durch Handschlag und einem feierlichen "Ja" ihre Aussagen. Besonders kennzeichnend für Mennoniten ist (war) der Abstand "zur Welt", das heißt die Ablehnung von Luxus, Genussmittel und Tanz. Besondere berufliche Leistungen erbrachten sie durch ihren ethischen Aktivismus und sprichwörtlichen Fleiß.
Es ist jetzt müßig, alle Gebiete aufzuzählen die sie auf der ganzen Welt besiedelten, - sprechen wir über unseren Kreis:
"Unsere" Mennoniten (auch Mennonisten genannt) kamen in erster Linie aus Holland. Benannt nach dem friesischen Reformator Menno Simons (2) (geboren 1492) kamen friesische und flämische Bauern und Weber vor allem in das Weichsel-Nogat-Gebiet. In Elbing wurden die ersten Mennoniten bereits vor 1550 erwähnt. Von der Bevölkerung wurden sie durchweg "Holländer" genannt und die "Holländer Chaussee" (später Tannenberg Allee) führte von Elbing nach "Holland", nämlich nach Preußisch Holland, dass von ihnen besiedelt wurde.
Viele Glaubensflüchtlinge kamen schon 1525 in unser Gebiet, 1560 kamen sie in neuen Schüben und fanden als Pächter der Erlenbruchgelände und Rohrsümpfe (Ellerwald und Drausensee) Aufnahme. Dieser zweite Schub kam auch nicht mittellos. Mit dem Wiederaufbau vieler wüst liegender Ordensdörfer zeigten sie ihren Fleiß und auch finanziellen Einsatz. Dämme und Entwässerungsgräben wurden erneuert und Entwässerungsmühlen gebaut. Die ursprüngliche Zinsfreiheit der Pächter-Emphyteuten (3) wurde wegen der guten Erträge der fleißigen Taufgesinnten bald umgewandelt. Ihre Höfe bekamen sie nun nur noch auf 30 Jahre verpachtet (Zeit-Emphyteuten). Natürlich stiegen die Pachten entsprechend an.
Im Ellerwald der Stadt Elbing konnte man erleben, wie seit 1565 ein riesiges Gebiet von ca. 27 km² planmässig entwässert wurde und sich vom versumpften Erlenbruch in bestes Kulturland umwandelte.
Trotz aller Kontrakte und Versprechungen der Freiheit in Religionssachen wollte der Bischof von Kulm bereits 1608 die Wiedertäufer wieder loswerden. Durch den Schutz des Danziger Rates hatten sie aber bis 1642 Ruhe. Dauernd gab es aber neue Forderungen nach mehr Geld; entweder vom polnischen König, oder von der katholischen Geistlichkeit. König Kasimir erkannte aber ihren Wert und beschützte sie. In langem, zähem Ringen erwarben sie sich das Recht auf eigene Bethäuser und eigene Friedhöfe. Davor fanden die Zusammenkünfte in Scheunen oder Ställen statt, die vorher natürlich peinlich sauber gemacht wurden.
Unter Friedrich II., der Große (1740 – 1786), liefen die alten Kontrakte mit den Zeit-Emphyteuten aus und durften nicht mehr erneuert werden. Die Mennoniten sollten endlich freie Herren ihres Grund und Bodens sein. Der König beließ ihnen auch die alten Rechte, darunter auch die Wehrfreiheit. Allerdings mussten sie dafür ein jährliches Entgelt von 5000 Talern an das Kulmer Kadettenhaus zahlen
Friedrichs Nachfolger, Friedrich Wilhelm II. fand die Verweigerung des Militärdienstes überhaupt nicht lustig. Weil sie "eine der vorzüglichsten Pflichten getreuer Untertanen, die Verteidigung des Landes versagten", erließ er gegen sie im Edikt vom 30. Juli 1789 besondere Gesetze, um diese kantonsfreien (4) Grundstücke nicht mehr ausdehnen zu lassen. Dazu gehörte, dass Mennoniten keine Höfe mehr von Andersgläubigen kaufen durften und auch andere Erschwernisse. So konnten die Taufgesinnten nicht mehr durch Landkauf für die Zukunft ihrer Söhne und Töchter sorgen. Viele Höfe wurden deshalb "zerkleinert", um "kantonsfrei" zu bleiben. Man versuchte intensiv durch Eingaben Milderung zu erlangen. Als alles vergeblich war, setzte als Konsequenz noch vor 1800 eine umfangreiche Auswanderung mennonitischer Familien nach Südrussland ein (z. B. zum Dnjepr bei Alexandrowsk), wo diese fleißigen Menschen in kurzer Zeit aus der baumlosen Steppenlandschaft die fruchtbarsten Gefilde schufen.
In den Jahren 1789 bis 1820 verließen viele Familien unsere Heimat: Baumgart (1), Böhmischgut (1), Bollwerk (2), Dörbeck (1), Einlage (1), Elbing (20), Ellerwald (73), Fichthorst (1), Krebsfelde (66), Lupushorst (7), Neukirch (2), Oberkerbswalde (1), um nur einige zu nennen. Noch viel mehr Familien zogen aus dem "großen Werder" fort, die meisten wohl aus Tiegenhof und Tiegenhagen. Zusammengenommen waren es aus Danzig-Westpreußen 1642 Familien mit 5817 Personen!
Es ist einerseits unglaublich, wie "leicht" die Taufgesinnten einen Hof ihres festen Glaubens wegen aufgaben und an anderer Stelle wieder neu anfingen, - andererseits gab es natürlich doch auch solche Mennoniten, deren Söhne fortan den Kriegsdienst leisteten, wodurch sie auch in der Heimat bleiben und überall Ländereien erwerben durften. Und natürlich waren sie von den Zahlungen an das Kadettenhaus in Kulm befreit. Da ist so mancher schwach geworden…
Die Annahme der Kantonspflicht hatte auch Konsequenzen innerhalb der mennonitischen Gemeinde. Eine Eintragung im Mitgliederverzeichnis der Christburger Gemeinde lautet so:
"Friedrich Wiebe von Christburg fortgezogen mit seiner Frau (Ehefrau Helene Claassen). Da Herr Friedrich Wiebe die Abgaben an unsere Kirche nicht mehr zahlen wollte und beim Ankauf eines Grundstücks die Kantonspflicht übernommen hat, so ist er seit Ende des Jahres 1852 nicht mehr als Mitglied unserer Gemeinde angesehen, was ihm auch schriftlich durch Herrn Vorsteher Joh. Fast jun. mitgetheilt wurde".
Erklärungen:
(1) Schweizerisch-Süddeutsche Taufgesinnte, Niederländisch-Niederdeutsche Taufgesinnte (Mennoniten), Österreich-Mährische Taufgesinnte (Hutterer).
(2) Menno Simons ist nicht, wie oft angenommen wird, der Stifter der Mennoniten-Gemeinden. Früher katholischer Priester, trat er erst im Jahre 1536 zu den bereits bestehenden Gemeinden über. Da er aber einer ihrer bedeutendsten Lehrer wurde, übernahm man in Deutschland in der Bezeichnung „Mennoniten“ seinen Namen, um sich von anderen Konfessionen zu unterscheiden. Ursprünglich nannten sich die Mennoniten nämlich nur „Christen“ oder „Christliche Brüder“. In der Schweiz und in Holland allerdings „Taufgesinnte“.
(3) Emphyteuten (spätrömischer Rechtsbegriff) = Erbpächter). Sie zahlen ein Einkaufsgeld und eine festgesetzte jährliche Pacht auf eine bestimmte Anzahl von Jahren (meist 30-40 Jahre). Das Inventar wird ihnen umsonst geliefert und sie sind frei von Scharwerks- und anderen Diensten. Sie erhalten das nötige Bauholz, aber auch Brennholz, bzw. Brennstrauch.
(4) Das Land war zwecks Erfassung der Wehrpflichtigen in Kantone eingeteilt. Jeder Wehrpflichtige im Alter von 20 Jahren musste zur Ausbildung in die Garnison einrücken, zu dessen Kanton sein Heimatort gehörte. Kantonsfreiheit = Wehrfreiheit.