Heimatkunde
Was bedeutet eigentlich "Truso"?
(Günter Mauter)
Wenn man von Elbing spricht taucht auch immer wieder der Name "Truso" auf. Was steckt eigentlich hinter diesem Namen, der ein wichtiger Teil unserer Geschichte ist?
Bei uns in Schleswig-Holstein gibt es einen historischen Ort, den (fast) jeder kennt. Die Schulkinder erfahren etwas darüber natürlich im Fach "HSU": Haithabu! Dieser von den Wikingern einst begründete Handelsplatz, in dessen Nähe die Stadt Schleswig entstand, war vom 9. bis zum 11. Jahrhundert der zentrale Handelsplatz Nordeuropas und spielte schon bei den Karolingern und Ottonen als Drehscheibe des internationalen Verkehrs eine große Rolle. Heute ist Haithabu ein Magnet für geschichlich interessierte Menschen geworden. Ausgrabungen haben den Nachweis des großen Handelsplatzes mit Hafen erbracht.
"Nun", werden Sie fragen, "was hat das mit Truso zu tun"? Die Antwort lautet: "Haithabu und Truso haben einst miteinander Handel getrieben"! Und in der Nähe von Truso entstand unsere Heimatstadt Elbing!
Kunde von der Stadt und dem Handelsort Truso hinterließ uns ein Seefahrer namens Wulfstan, dessen Bericht aus dem Jahre 890 über seine Fahrt nach Truso im britischen Museum in London aufbewahrt wird. Wulfstan, ein Angelsachse, fuhr mit seinem Schiff 7 Tage (und Nächte natürlich) lang unter Segeln von Haithabu aus nach "Ostland". In seinem Bericht heißt es auszugsweise, "dass alles Land auf Backbord zunächst dänisch gewesen sei, dann käme Bornholm (die alte Heimat der Burgunder), das einen eigenen König besäße und dann die schwedischen Länder. An Steuerbord hätte das Wendland bis Weichselmünde gelegen…". Die Weichsel schilderte Wulfstan als großen Strom, der in das 15 Meilen (1 Seemeile = 1852 m) lange Estmeer - das Frische Haff – fließe. Aber auch der aus einem See fließende Ilfing – damit ist unser Elbingfluß gemeint -, an dessen Gestade Truso liege, fließe in das Haff und werde von der Weichsel aufgenommen. Die Weichsel fließe nordwestlich in die Ostsee.
Als Elbing im Jahre 1237 vom Deutschen Orden gegründet wurde, war von dem Handelsort Truso noch keine Rede oder keine Rede mehr. Offensichtlich fanden die Stadtgründer keine erwähnenswerten Spuren dieser Stadt vor. Erst sehr viel später (um 1598) kam Wulfstans Reisebericht ans Tageslicht und gab den Experten große Rätsel auf. Der Geschichtsschreiber Christian Hartknoch hat Truso in seiner Preußen-Chronik, die 1684 geschrieben wurde, noch nicht erwähnt. Oder doch? Bei der Suche nach dem genauen Platz, an dem das Schloss gestanden haben könnte, wurden einige Funde gemacht, über die Hartknoch auf Seite 380/381 folgendes schrieb: "Dann daselbst haben die Zimmerleute Anno 1601 Gläser, Kannen mit Trincken, und was man sonst unter dem Heidenthum denen Verstorbenen in die Erde mitzugeben pflegte, gefunden. Wo man aber darauß die Gelegenheit des alten Schlosses nicht gewiß kann erkennen, so folget doch darauß unwiedertreiblich, daß vor der Ankunfft des Ordens daselbst etwas sonderliches müsse gestanden haben…". Truso vielleicht?
Wo aber genau lag Truso? Bei der Suche nach der Örtlichkeit kamen sogar Danzig und Dirschau anfangs in die engere Wahl, das alte Truso zu sein. Aber nirgendwo sind die Funde aus der "Wulfstan-Zeit" so zahlreich wie gerade im Umland der späteren Stadt Elbing.
Vor allem die Elbinger Höhe war zu frühen Zeiten ein beliebter Siedlungplatz. Prähistorische Forschungen wurden allerdings erst nach Gründung der Elbinger Altertumsgesellschaft (1873) durchgeführt.
Menschliche Spuren sind im Raum Elbing seit der mittleren und jüngeren Steinzeit nachweisbar (also vom Ende der Eiszeit bis etwa 2000 v. Chr.). Besonders ergiebig waren Ausgrabungen von Professor Dr. Dorr für die Bronzezeit (2000 – 800 v. Chr.). Im ganzen heutigen Stadtgebiet, aber auch gesamten Elbinger Umland wurden zu allen Zeiten immer wieder aus unterschiedlichen Epochen Siedlungsreste und Gräber gefunden, die stets die Vermutung nahe legten, dass hier oder dort doch Truso gewesen sein müßte (z.B. in Maibaum!) oder könnte. Auf der Elbinger Höhe wurden besonders viele Ausgrabungen erfolgreich durchgeführt
Noch 1936/37 fand man im südlichen Stadgebiet Elbings ein skandinavisches Gräberfeld: Beim Bau der Schichausiedlung Trettinkenhof wurde dieses Feld entdeckt. Die dort gefundenen wikingischen Grabausstattungen, Frauenschmuck und Waffen stammten zweifellos aus der Zeit, von der Wulfstans Bericht handelte. Dieses Feld legte auch bei Dr. Neugebauer die Vermutung nahe, der Handelsplatz Truso hätte im heutigen Stadtgebiet gelegen. Dr. Werner Neugebauer, Archäologe und letzter Direktor des Städtischen Museums stellte damals fest: "...daß die am Wasser gelegene Siedlung, deren genaue Lage noch unbekannt ist, gotländisch-schwedischer Art war, bezeugen die Funde des zugehörigen Gräberfeldes…". Polnische Archäologen orteten Truso (1982-1987) auf den zum Rittergut Hansdorf gehörenden Wiesen am Drausensee kurz vor Kämmersdorf. Die dortigen Funde lassen aber wohl nur einen Teil Trusos dort vermuten; denn möglicherweise war Truso in zwei oder sogar mehrere Teile aufgeteilt.
Nun darf man beim Anblick des heutigen stark verlandeten Drausensees auf keinen Fall Vergleiche ziehen mit der Ausdehnung des Gewässers, wie es einst war. Die heutige Wasserfläche des Sees dürfte nicht einmal ein Zwanzigstel der damaligen Fläche darstellen. In der von Wulstan geschilderten Zeit (aber auch noch in der Zeit, als unsere Stadt gegründet wurde) reichte der Drausensee bis in die heutige Stadt Elbing hinein. Nicht nur Sorge, Thiene und Fischau flossen in den See, sondern auch die Nogat!! Auch das Frische Haff hatte seinen Ausgang nicht bei Pillau, sondern bei Danzig. Außerdem gab es wohl auch bei Kahlberg ein weiteres Tief. Im Weichseldelta veränderte sich damals auch ständig der Lauf der Flüsse und führte, da jede Art von Deichung noch fehlte, zu Hochwassern in der Niederung.
Heute planen die interessierten Kreise, wie die polnische Truso-Gesellschaft in Elbing, einen Nachbau eines Teils des alten Truso. Ein Ausstellungsgebäude mit Ergebnissen der bei Ausgrabungen gefundenen Zivilisationsnachweise wäre sicher eine Attraktion für Elbing und seine Besucher.
Vorerst findet der interessierte Besucher Elbings hinter der Hl. Geist-Kirche, auf dem freien Stück zwischen dem Museum (ehemals Agnes-Miegel-Schule) und dem ebenfalls als Museum genutzen alten Brauhaus den Nachbau eines Hauses aus der "Truso-Zeit". Dieses Haus entstand nach archäologischen Erkenntnissen! Ein Besuch lohnt sich!
In Elbing gab es die Truso-Straße (heute Adama Mickiewicza) und dort die Truso-Schule, man hatte ein Truso-Café und es gab die Truso-Apotheke und einen Truso-Platz. Ob wohl damals jeder Elbinger wußte, was es mit dem Namen Truso auf sich hatte?
GGünter