DER LANDKREIS ELBING   
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NEUENDORF (Kämmereidorf bei Tolkemit)


Das Dorf Neuendorf bei Tolkemit ist auf Tolkemiter Gemarkung begründet worden. Wann dies geschah, weiß man nicht mehr. Jedenfalls hat die Stadt Tolkemit selbst dieses Dorf in ihrem Gebiet begründet. Deshalb war auch Neuendorf Jahrhunderte lang Kämmereidorf von Tolkemit. Noch heute wird es so bezeichnet. Es war in der Ordenszeit üblich, daß wie der Orden die Bischöfe und die Domkapitel es taten, auch die Städte in ihren Gebieten Dörfer begründeten. So begründete Elbing z.B. in der Ordenszeit in seinem Gebiet die Dörfer Damerau und Behrendshagen.


Zum ersten Mal wird Neuendorf erwähnt in der Urkunde vom 25. Mai 1359, in der der Komtur Ortolf von Trier den Bürgern von Tolkemit und den Einsassen von Neuendorf Fischereigerechtigkeit auf dem Frischen Haff verleiht. Diese Urkunde nennt das Dorf als Tolkemiter Stadtdorf. Wenn es auch unbekannt ist, wann Neuendorf begründet ist, so darf man doch vermuten, daß es seine Entstehung der wohl erst vom Hochmeister Winrich von Kniprode (1351-82) an die kleineren Städte erteilten Erlaubnis verdankt, in ihren Feldmarken neue Dörfer zu begründen und die Bewohner derselben zu Zins, Abgaben und Scharwerksdiensten zu verpflichten. Die Stadt Tolkemit machte von dieser Erlaubnis Gebrauch. Aus ihrer großen Feldmark tat sie eine Anzahl Hufen zur Gründung des Kämmereidorfes Neuendorf aus. Man darf also mit einiger Bestimmtheit vermuten, daß Neuendorf in den 1350er Jahren entstanden ist.


Am 4. Juni 1376 erhielt das Stadtdorf Neuendorf von dem Elbinger Komtur Ulrich Fricke in Tolkemit eine Erneuerung seine Handfeste. Aus ihr geht hervor, daß die eigentliche Gründungsurkunde durch Feuer verloren gegangen war. Der Schulz von Neuendorf hatte sich an den Komtur mit der Bitte um Ausstellung einer erneuerten Handfeste gewandt. Diesem Gesuch willfahrte der Komtur. Er erklärte, daß Merten, der Schulz von Tolkemit, acht Freihufen in Neuendorf besitzen sollte. Von diesen acht Hufen sollten dem Neuendorfer Schulzen vier zukommen. Zum Dorf sollten 34 ½ Hufen gehören einschließlich der Gemarkung von Unruhe. Diese Gemarkung umfaßte 13 Hufen. Sie lag nunmehr in den Grenzen der Stadt Tolkemit, da ja die ganze Neuendorfer Flur nur ein Teil der Tolkemiter war. Die Unruher Hufen kamen später an Tolkemit selbst. Neuendorf hatte seitdem 34 ½ Hufen weniger 13 Unruher Hufen, außerdem vier Schulzenhufen, also insgesamt 25 ½ Hufen.


Neuendorf blieb als städtisches Kämmereidorf auch in der Polenzeit in engster Verbindung mit Tolkemit. Als 1742 die Starostei Tolkemit von einer königlichen Kommission revidiert wurde, stellte diese die Gemarkung Neuendorf auf 25 ½ Hufen fest. Das Dorf war der Stadt Tolkemit zinspflichtig, es glaubte aber, mit Abgaben zu sehr belastet zu sein und wurde daher 1751 beim Starosten gegen die Stadt klagbar. Das Starosteigericht schlichtete damals den Streit zwischen Tolkemit und Neuendorf.


In jener Zeit als das Cadiner Kloster bestand (1683-1826), lag in der Gemarkung von Neuendorf eine kleine Antoniuskapelle, an der die nach Cadinen ziehenden Wallfahrer Station zu machen pflegten. Als das Kloster verfiel, ging auch die Kapelle allmählich zugrunde. Nur das Altarbild wurde erhalten und in einer neuen kleinen Kapelle in Neuendorf in den 1890er Jahren aufgestellt.


Als 1772 unsere Heimat preußisch wurde, hatte Neuendorf noch seine 25 ½ Tolkemiter Stadthufen. Damals zählte das Dorf 69 Bewohner und zwar 11 Männer, 12 Frauen, 30 Kinder und 16 Dienstleute. An Vieh besaß das Dorf: 30 Kühe, 32 Ochsen, 66 Pferde, 26 Schafe und 64 Schweine.


Aus der Zeit um 1800 wurde uns ein ergötzliches Stücklein über Neuendorf berichtet, das einen Sieg der bäuerlichen Zähigkeit über behördliche Bürokratie darstellt. Da damals Holzmangel bestand, sann die Behörde auf Mittel, um dem übermäßigen Holzverbrauch Einhalt zu tun. Sie verfügte zu diesem Zweck die Abschaffung der privaten Backöfen in den Dörfern. Ganz Neuendorf sollte jetzt nur einen gemeinschaftlichen Backofen haben. 1790 berichtete dazu der Tolkemiter Magistrat, in Neuendorf hätte die Neuerung gar keinen Beifall gefunden. Die acht Neuendorfer Bauern wären der Meinung, daß bei gemeinschaftlichem Backofenbetrieb viel mehr Holz verbraucht werden würde, als wenn jeder seinen Backofen für sich hätte. Die Behörde, vertreten durch den Kriegs- und Steuerrat Krüger in Riesenburg, bestand aber auf ihrem Willen. Der Magistrat sollte jährlich über die Backofenangelegenheit in Neuendorf berichten. Bis 1797 war aber nichts geschehen. Nun ermäßigte die Behörde die Forderung: Je 2-3 Bauern sollten einen gemeinschaftlichen Backofen haben. Aber auch hier siegte der zähe Widerstand der Bauern. Der Tolkemiter Magistrat sandte alljährlich seine Berichte nach Riesenburg. Aber ein gemeinschaftlicher Backofen auch nur für zwei oder drei Bauern kam in Neuendorf nicht zustande. 1807, als die Behörden Wichtigeres zu tun hatten, schlief die ganze Neuendorfer Backofenangelegenheit ein.


1857-59 fand die Gemeinheitsteilung (Separation) in Neuendorf statt. 1859 wurden die Verpflichtungen des Kämmereidorfes Neuendorf gegen Tolkemit abgelöst. Seitdem ist es selbstständig und befindet sich nicht mehr in Abhängigkeit von der Stadt.


Neuendorf-Kämmereidorf, wie es aber noch immer genannt wird, hat heute (das war etwa im Jahre 1925) 475 ha und 96 Bewohner.






(         Hannelore Albuszies)