DER LANDKREIS ELBING   
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Herrenpfeil


In der Ordenszeit gehörte nur das südliche Stück, der Bürgerpfeil, zur Stadt; das nördliche hatten sich die Herren des Landes, die Ritter, vorbehalten, und daher hieß dies Stück auch der Herrenpfeil.


Viel Kopfzerbrechen machte den Erklärern der Name „Pfeil“. Der Ratsherr Gottfried Zamehl meint in einem seiner Gedichte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, der Name wäre daraus zu erklären, daß das Gebiet, das der Pfeil heiße, nur einen Pfeilschuß oder Steinwurf von den noch zur Stadt gehörigen Häusern entfernt sei. Allein das ist nicht nur eine recht gewagte, sondern auch ganz unwahrscheinliche Erklärung. Eher dürfte der Name Pfeil aus der Gestalt dieses Wiesengebiets zu erklären sein, da er zwischen Elbing und Kraffohl spitz beginnt und dann immer breiter wird.


In der Ordenszeit war der Pfeil ein Werder, das durch die beiden Arme des Elbingflusses, der sich bei Rothebude teilte, gebildet wurde. Später wurde dann unter Benutzung des westlichen Armes der Kraffohlkanal gegraben und dadurch die notwendige Verbindung mit der Nogat hergestellt. Aber der alte Lauf dieses Armes, der von Rundmannsecke nordwärts floß, war noch lange zu erkennen und hieß die alte Fahrt. Sie blieb als Sumpf noch Jahrhunderte lang bestehen.


Der Bürgerpfeil kam 1288 in den Besitz Elbings. Der Hochmeister Burkhard von Schwenden (1284-90) schenkte der Stadt dieses Land, weil sie bei einem Brandunglück, bei dem er selbst zugegen gewesen war, großen Schaden erlitten hatte. Der Herrenpfeil war damals noch nicht urbares Land; der größte Teil von ihm lag noch im Haff. Manche meinen, daß auf dem Bürgerpfeil, dort, wo Elbing und Kraffohl sich trennen, die älteste Elbinger Ordensburg gestanden habe, bis sie dann, weil das Land doch noch zu sumpfig gewesen , an ihre spätere Stelle verlegt worden sei. Wenn sie überhaupt jemals auf dem Bürgerpfeil gestanden hat – und die noch lange im Schwang stehende Bezeichnung für den Pfeil „das alte Elbing“ scheint darauf hinzudeuten, - so war sie jedenfalls nur kurze Zeit dort und auch nur ein ganz vorläufiges Bauwerk. Wir dürfen uns diese Burg nur sehr dürftig und aus Holz gebaut vorstellen. Noch in demselben Jahre 1237, in dem jene Burg errichtet worden sein soll, fand jedenfalls ihre Verlegung nach der späteren Stelle südlich der Stadt Elbing statt.


1298 wurden an 23 Bürger je zwei Joch, insgesamt also 46 Joch, gegen einen jährlichen Zins von ½ Vierdung für jedes Joch vererbpachtet. Doch wurden ihnen zehn Freijahre gewährt. Dieses Land lag jenseits des Elbing zwischen den Hauptgräben. Vielleicht haben wir es auf dem Pfeil zu suchen.


1367 wurde der Damm bei dem Pfeil verbessert und erhöht. Als Weideland wird der Pfeil 1384 erwähnt.


Wenn die Stadt den Bürgerpfeil schon seit 1288 besaß, so bekam sie den Herrenpfeil erst 1457 durch das Kasimirsche Hauptprivileg.


Der Pfeil erstreckt sich von Rothebude bis Terranova. In der polnischen Zeit standen im Süden und Norden von ihm zwei Häuser, die sogenannten Pfeilhäuser. Das südliche stand da, wo heute Rothebude ist, das übrigens schon 1521 erwähnt wird. Das andere lag nicht weit vom Bollwerkskrug. Beide Pfeilhäuser brannten die Polen im ersten schwedisch-polnischen Krieg 1627 ab. Das nördliche wurde nicht wieder erbaut.


1574 gab der Rat der Bürgerschaft den halben Pfeil zur Weide, und zwar das südliche Stück, eben den Bürgerpfeil; dieser Name bürgerte sich damals fest ein. Als die Bürgerschaft dieses Weidestück erhielt, war George Braun Vogt der präsentierenden Gemeinde. Es muß das deshalb hier erwähnt werden, weil der Bürgerpfeil unter die Aufsicht des Vogtes und von vier Bürgern gestellt wurde, die der Rat bestimmte und die man Pfeilvorsteher nannte. So blieb es auch während der ganzen polnischen Zeit. In Rothebude wurde im Sommer ein großes Gastmahl veranstaltet, an dem der Rat und die vornehmsten Bürger teilnahmen. Gottfried Zamehl hat ein solches Fest, das 1616 von dem damaligen Vogt Siegmund Meienreis gegeben wurde, in einem besonderen Gedicht gepriesen.

500 Stück Vieh durften jährlich auf den Bürgerpfeil zur Weide genommen werden; und zwar waren natürlich zunächst die Elbinger Bürger dazu berechtigt, ihr Vieh dorthin zu geben. War die Zahl noch nicht voll, dann wurde auch Vieh von den Vorstädtern und Landleuten, ja sogar von Fremden zur Weide auf den Bürgerpfeil genommen. Das zu zahlende Weidegeld war genau bestimmt.


Schon früh setzte man Ordnungen oder, wie man damals sagte, Ordonnanzen für den Bürgerpfeil fest. Die älteste, die erhalten geblieben ist, stammt vom Jahre 1709 und ist von dem damaligen Vogt, Siegmund Sieffert, der 1746 als Bürgermeister starb, herausgegeben worden. Eine andere, ebenfalls geschriebene, stammt von 1717 und ist von dem damaligen Vogt Georg Rogge veröffentlicht worden. Später wurde die Pfeilordnung gedruckt. Aus den Ordnungen geht folgendes hervor:


Mancher Bürger hatte fremdes Vieh unter seinem Namen auf den Pfeil geschickt. Und obgleich jeder Bürger nur vier Stück zur Weide geben durfte, gaben einige wohl gar 15 bis 20 Stück. Daher konnten mehrere Bürger ihr eigenes Vieh nicht mehr auf den Pfeil bringen. Dann kam aber auch manches Stück magerer von der Weide, als es dahin gebracht worden war, weil viel zu viel Vieh dorthin gegeben war. Daher bestimmten die Ältesten der präsentierenden Gemeinde noch einmal mit allem Nachdruck, daß jeder Bürger nur vier Stück eigenes Vieh zur Weide geben dürfte. Der Vogt hatte auf die Befolgung dieser Vorschrift zu achten. Jeder altstädtische Bürger hatte an Weidegeld zu zahlen:


für 1 Stück Pferd 45 Groschen,

für 1 Rindvieh 40 Groschen,

für 1 Jährling oder Hockling 40 Groschen.


Wer mehr eigenes Vieh zur Weide gab, hatte zu zahlen:


für 1 Pferd 3 Gulden = 90 Groschen,

für 1 Rindvieh 80 Groschen,

für 1 Jährling oder Hockling 2 Gulden = 60 Groschen.


Die auf den Vorstädten wohnenden vollberechtigten Bürger hatten für die ersten vier Stück Vieh dieselben Preise zu zahlen wie die Altstädter. Brachten sie mehr Vieh zur Weide, so galten für sie dieselben Sätze wie für die übrigen Vorstädter, die Bewohner und die Bauern des Elbinger Gebiets. Diese Sätze betrugen:


für 1 Pferd 4 Gulden,

für 1 Rindvieh 3 Gulden 10 Groschen,

für 1 Hockling 2 Gulden.


Waren dann noch Weidestellen frei, so durfte fremdes Vieh zugelassen werden. Hier galten diese Sätze:


für 1 Pferd 5 Gulden,

für 1 Rindvieh 4 Gulden,

für 1 Jährling 3 Gulden,

für 1 Hockling 2 Gulden 15 Groschen.


Der Pfeilknecht erhielt für jedes Stück Vieh bei der Aufnahme drei Groschen und ebensoviel bei der Abgabe. Pferde mit Hufeisen wurden nicht aufgenommen, denn durch sie wurde die Weide verdorben, die Rücken und Brücken wie auch die Fähre beschädigt. Wer täglich seine Kühe auf de Weide melkte, durfte das Vieh und die Pferde zu dem Zwecke nicht zusammentreiben, sondern mußte an der Stelle melken, wo das Vieh weidete. Die Jungen, Knechte, Weiber und Mägde trieben zur Nacht auf dem Pfeil häufig allerlei Unfug. Das wurde nun strengstens bei Strafe des Halseisens untersagt. Derselben Strafe verfiel, wer ohne Wissen des Pfeilknechts das Vieh von einem Stück des Pfeils auf ein anderes zu bringen wagte. Der Pfeilknecht hatte alsdann Anzeige bei der Obrigkeit zu erstatten. Er hatte auch acht darauf zu geben, daß kein krankheitsverdächtiges Vieh aufgenommen wurde. Fremde Hunde durfte niemand auf den Pfeil bringen. Wer gegen diese Vorschriften verstieß, sollte vom Vogt und den Pfeilvorstehern mit schwerer Strafe belegt werden.


In der polnischen Zeit wurden im allgemeinen die Weidegeldsätze nicht erhöht. Das war 1759 nur für eine Zeitlang ausnahmsweise der Fall. Damals sollte das von der Stadt für 1000 Florin versetzte Silber eingelöst und eine neue Schlangenspritze für vierhundert Florin beschafft werden. Daher genehmigte der Rat die zeitweilige Erhöhung der Sätze, aber wohl nur für Nichtbürger. Erhöhungen für kurze Zeit kamen wahrscheinlich auch sonst vor, um die Weide zeitweilig zu entlasten und sich erholen zu lassen. Der Bürgerpfeil mit seinen neun Hufen acht Morgen brachte seit 1769 der Kämmerei jährlich einen Reinertrag von etwa 1000 Florin. Von diesem Betrage waren die Kosten für Gräben, Mühlen und Wälle schon abgezogen.


Die Einkünfte des Herrenpfeils gingen ebenfalls in die Kämmerei. Von ihr waren im 18. Jahrhundert

3 Hufen 15 Morgen an Simon Jacobson für 5200 Florin verpfändet. 1748 entschlossen sich die Ratsmitglieder, diese Summe aus eigenen Mitteln einzulösen. Sie legten zusammen und brachten 5200 Florin auf. Jeder der vier Bürgermeister steuerte 520 Florin, jeder der zwölf Ratsherren 260 Florin bei. Den Jahresertrag verteilten die 16 Herren immer unter sich. Wer Ratsherr wurde, zahlte 260 Florin an die Erben seines Vorgängers, wer Bürgermeister wurde, 520 Florin. Als Elbing preußisch wurde, wurden die Ratsmitglieder aus der Kämmereikasse ausgezahlt, so daß nun wieder die Nutzung des ganzen Herrenpfeils dieser zugute kam.


Die preußische Verwaltung erhöhte sofort 1773 die in der polnischen Zeit recht niedrigen Weidegeldsätze. Sie betrugen nunmehr beim Bürgervieh für eine Kuh 1 Taler 30 Groschen, für einen Ochsen, Hockling, Kalb, Pferd oder Jährling 1 Taler.


Jeder Bürger durfte nur zwei Stück Vieh für diese Sätze zur Weide bringen. Nichtbürger zahlten im allgemeinen die doppelten Sätze, durften aber keine Ochsen weiden lassen.


1826 wurden mit Genehmigung der Stadtverordnetenversammlung die Sätze für das Bürgervieh erhöht; 1828 wurde schließlich der Unterschied zwischen Bürgervieh und Nichtbürgervieh aufgehoben.


Um 1830 hatte der Bürgerpfeil 9 Hufen 25 Morgen, der Herrenpfeil 10 Hufen 13 Morgen. Zwischen beiden Stücken lief ein Wall, der zu beiden Seiten Gräben hatte. Der dem Bürgerpfeil nächstbenachbarte Teil des Herrenpfeils wurde Wilmsonpfeil genannt.


Der Herrenpfeil bildet heute einen selbstständigen Gutsbezirk von 423 ha mit 33 Bewohnern. Zu ihm gehört auch der Bürgerpfeil. Auf diesem liegt die sogenannte Schneidemühle.


Dort, wo der Elbing einen Bogen nach Osten macht, wurde ein Stück Landes „die krumme Bucht“ genannt. Dieses Land gab der Elbinger Magistrat 1806 in einer Größe von 17 kulmischen Morgen Innenland und vier kulmischen Morgen Außenland zum Bebauen mit sechs holländischen Windschneidemühlen und den nötigen Wohngebäuden in Erbpacht aus. Erbpächter war der Kaufmann Siegmund Bernhard Fehrmann jun. Er zahlte jährlich 216 Taler Erbpacht. Das Land, das Fehrmann erwarb, war zwar ein Teil des Bürgerpfeils, aber seit alters nutzte es der Weideverwalter, den man früher Pfeilknecht benannt hatte, gegen einen jährlichen Zins von 46 Taler, den er an die Kämmerei zahlte. Der Weideverwalter hatte das Land immer bewirtschaftet. Der Magistrat war seit 1800 für Vererbpachtung dieses Stückes, weil er auf diese Weise größeren Gewinn zu erzielen hoffte. Die Bürgerschaft aber erhob durch ihre Ältesten Einspruch gegen diesen Plan, da der gesamte Bürgerpfeil ihr gehöre. Da der Magistrat den Einspruch abwies, erhob die Bürgerschaft gerichtliche Klage gegen den Magistrat. Schließlich kam es 1804 zu einem Vergleich zwischen beiden Parteien: Der Magistrat trat an die Bürgerschaft vom Herrenpfeil ein so großes Stück ab, wie er vom Bürgerpfeil vererbpachten wollte. Die Bürgerschaft ging darauf ein, und 1806 kam die Vererbpachtung der krummen Bucht an Fehrmann zustande.


Dieser war aber nur der Vermittler für das Handlungshaus Johann Jakob Roskampff und Compagnie gewesen, in dessen Besitz das Grundstück 1810 auch formell überging. (Die Familie Roskampff gehörte zum alten Elbinger Patriziat. Johann Jakob Roskampff starb 1804 und wurde auf dem Leichnamfriedhof bestattet.)

Auf ihm befanden sich damals an Gebäuden eine Schneidemühle, ein herrschaftliches Wohnhaus, zwei Familienhäuser, vier hölzerne Gebäude zur Aufbewahrung des Holzes, außerdem Speicher, Scheune und Ställe. Bereits 1811 aber verkaufte der Chef des Hauses Roskampff und Comp., der Geheime Kommerzienrat Jebens, die Besitzung an Rieß und Laser für 14 000 Taler, die sie 1823 an Stadtrat Hirsch für 16 000 Taler weiter veräußerten. 1835 erstand die Schneidemühle der Stadtrat und späteres Kommerzienrat Ignatz Grunau. (Die Familie Grunau war im 19. Jahrhundert eine der reichsten und angesehensten in Elbing.) Er verkleinerte die Besitzung und verkaufte sie 1842 an den Amtmann Wilhelm Kirsten für 600 Taler. Der überaus niedrige Preis erklärt sich daraus, da0 die Schneidemühle damals vollständig abgebrannt war. Kaufmann Friedrich August Baumgart erwarb 1844 das Grundstück für 1500 Taler und verkaufte es seinem Sohn, dem Stadtrat Carl Baumgart, dem Vater des bekannten Literaturhistorikers an der Universität Königsberg Hermann Baumgart, für 5050 Taler. Weiterhin kauften die Schneidemühle:  Dr. Ferdinand Kugler 1861 für 1800 Taler, Besitzer Anton Schwenzfeier 1862 für 2350 Taler, Stadthofbesitzer Kullack 1863 für 5000 Taler, Robert Kroll 1864 für 10 500 Taler, Frau Leutnant Weinberger 1866 für 2300 Taler, Dr. Ferdinand Kugler 1872 für 2300 Taler, Ferdinand Wiewandt 1904. Von diesem kaufte die noch immer und noch heute sogenannte Schneidemühle, die ihren Namen schon seit mindestens sieben Jahrzehnten nicht mehr zu Recht trug, im Jahre 1917 die Stadt Elbing, die dieses Landstück bis 1806 besessen hatte. Jetzt erwarb sie es wieder zurück, um die Geradelegung des Elbingflusses an dieser Stelle durchführen zu können. Die krumme Bucht wurde nun durchstochen, und so liegt die alte Schneidemühle heute auf einer Insel im Elbingfluß.


(         Hannelore Albuszies)

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